Sonntag, 28. Dezember 2008

Das Scherflein der Witwe

Die Themen „Armut" und „Frauen" zusammen zu denken ist eine komplexe Angelegenheit. Als ich gebeten wurde, in der Reihe „Feministische Theologie und Ethik" dazu einen Artikel für die „Mitteilungen" der Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. zu schreiben, fiel mir spontan das Gleichnis vom Scherflein der Witwe ein. Und ich stellte fest, dass es sich auch anders interpretieren lässt als mit dem moralisch-erhobenen Zeigefinger, der damals im Kindergottesdienst so schrecklich war…

Link: www.antjeschrupp.de/das_scherflein_der_witwe.htm

Samstag, 22. November 2008

Fremdheit als Erfahrungsraum

Muttersprache und koloniales Sprechen, die Bedeutung des Schweigens und die Chancen, die im Lernen einer fremden Sprache liegen - darum geht es in diesem Text der Diotima-Philosophin Elisabeth Jankowski, den ich ganz herzlich zur Lektüre empfehle: http://www.bzw-weiterdenken.de/index.php?m=artikel&rub=3&tid=161

Donnerstag, 13. November 2008

Unbelehrbar bleiben!

Immer zuverlässig darin, unterschwellige Stimmungen knackig auf den Punkt zu bringen, hat die Bildzeitung gestern eine interessante Frage formuliert: „Ist Ypsilanti so unbelehrbar, weil sie eine Frau ist?“


In dem dazugehörigen Artikel erklärt dann die „Politikberaterin“ Gertrud Höhler, die ja schon lange mit der Mission unterwegs ist, Frauen die Spielregeln des Politbetriebes einzubleuen, warum Andrea Ypsilanti mit ihrem Vorhaben, Ministerpräsidentin von Hessen zu werden, ganz einfach scheitern musste: „Sie hat ihre Lektion nicht gelernt“.

Wer, frage ich da mal keck zurück, ist eigentlich der Schulmeister? Welche Lektionen genau sind es, die hier gelernt werden müssen, bevor eine sich politische Ambitionen erlauben darf?

Das hat an anderer Stelle ein alter Bekannter beantwortet: Joschka Fischer ließ über die Nachrichtenagenturen verbreiten, Ypsilanti habe „das Einmaleins der Koalitionsbildung“ nicht begriffen. Interessant, wie einer jetzt den Staatsmann gibt, der doch selbst mal dadurch berühmt geworden war, dass er sich allen Lektionen verweigert und in Turnschuhen den Amtseid zum hessischen Minister leistete.

Aber klar: Joschka Fischer ist ja auch ein Mann. Und als solcher gehört er, egal ob links oder rechts, egal ob angepasst oder revoluzzermäßig, ganz einfach quasi von Natur aus aufs politische Parkett. Eine Frau hingegen muss erst mal beweisen, dass sie das kann.

Angela Merkel übrigens kann es Fischer zufolge auch nicht. Ihre „Performance“ in der Finanzkrise hat ihm nicht gefallen. „Da bedarf es des festen Blicks nach vorn, einer starken Hand und zumindest des Eindrucks, dass sie weiß, wohin es geht“ schulmeisterte er weiter. Frau kann es eben niemals richtig machen. Die eine weiß viel zu genau, was sie will, und die andere weiß es nicht genau genug.

Ich habe ja schon an anderer Stelle darüber geschrieben, dass das politische Diskursphänomen, das wir derzeit unter dem Stichwort „Obama“ erleben (sogar meine kleinen Neffen sind schon Obama-Fans) nur möglich ist mit einem männlichen Protagonisten. http://www.bzw-weiterdenken.de/index.php?m=artikel&rub2=&tid=105

Und genauso ist das, was wir derzeit unter dem Stichwort „Ypsilanti“ als Mediendebatte erleben, nur möglich mit einer weiblichen Protagonistin.

Es ist allerdings schon lange her, dass die öffentliche Demontage einer Politikerin so offen sexistisch war wie das, was in den letzten Tagen – und nicht nur in der Bildzeitung – über Andrea Ypsilanti geschrieben wurde. Plötzlich ist sie an allem schuld, was in der hessischen SPD schlecht läuft. Dabei ist die, wie jede weiß, deren Gedächtnis weiter als ein paar Monate zurückreicht, schon lange in einem ziemlich desolaten Zustand. Völlig vergessen scheint plötzlich zu sein, dass es überhaupt nur der Strahlkraft von Andrea Ypsilanti und gerade ihrem „Anders-Sein“ zu verdanken war, dass sie bei den letzten Landtagswahlen so unverhofft gut abgeschnitten hat.

Ich frage mich also, worin die große Ypsilanti-Katastrophe eigentlich bestehen soll. Auf der Suche nach Verantwortlichen für den Niedergang der SPD würden mir jedenfalls erstmal etliche andere Namen einfallen. Ypsilanti hatte ganz einfach ein linkes, für hessisch-sozialdemokratische Verhältnisse sehr radikales Programm. Ungefähr die Hälfte ihrer eigenen Partei ist anderer Meinung als sie. Weil sie bei den Wahlen aber so gut Stimmen mobilisiert hat und auch mangels überzeugender Alternativen ließ man sie eine Zeitlang gewähren. Doch letztendlich hat sich herausgestellt, dass es für ihre politische Vorstellungen in der hessischen SPD keine Mehrheit gibt. Das mag man schade finden oder toll, je nachdem welcher Meinung man selbst ist, aber es ist doch ein ganz normaler Vorgang in einer Demokratie – jedenfalls nach meinem Verständnis von Politik. Aber vielleicht habe ich ja meine Lektionen auch noch nicht gelernt.

Ein Problem ist der „Fall Ypsilanti“ jedenfalls aus einem ganz anderen Grund, von dem ich bisher allerdings noch nirgendwo etwas gelesen habe. Er wird nämlich zur Folge haben, dass Frauen noch mehr die Lust verlieren, ein politisches Amt zu übernehmen. Bekanntlich ist das Interesse von Frauen, in die Politik zu gehen, ohnehin nicht sehr groß. Jedenfalls höre ich oft Klagen, man finde keine, die für Listen, Gemeinderäte, Positionen und dergleichen kandidieren wollen. Woran liegt das wohl? An den Frauen, die ihre Lektionen nicht lernen? Oder nicht vielleicht doch eher daran, dass es einfach keine große Freude macht, dauernd von Typen der Marke Fischer belehrt zu werden? Die sich sowieso nur für ihre eigenen Strategien interessieren und nicht dafür, was eine zu sagen hat?

Der „Fall Ypsilanti“ beweist, wieder einmal, dass Frauen in der Politik die Geduld eines Engels und die Dickfelligkeit eines Elefanten brauchen. Und darin sind wir eben nicht alle so gut, wie Angela Merkel. Und deshalb besteht wohl die Gefahr, dass die „offizielle“ Politik auch weiterhin eine Männer-Angelegenheit bleibt. Schade eigentlich, denn eine besonders gute „Performance“ gibt das aller Erfahrung nach nicht.

Ich für meinen Teil hoffe jedenfalls ganz fest, dass die Frauen, egal welcher Couleur, auch weiterhin schön unbelehrbar bleiben.

Donnerstag, 6. November 2008

Fruchtbarer Kompost für das gute Leben aller

Hier ein aktueller Lesetipp: Dorothee Markert freut sich über die Kühnheit, mit der Ina Praetorius eine Theologie geschrieben hat, die nach allen Seiten hin offen bleibt aber dennoch Hand und Fuß hat: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-158.htm

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Die Illusion der Vereinbarkeit

93 Prozent der kinderlosen Männer zwischen 15 und 33 Jahren wollen Kinder haben, so die gute Botschaft einer neuen Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, die dieser Tage vorgestellt wurde. Soweit der erfreuliche Aspekt - erfreulich aus Sicht der Frauen, deren Kinderwunsch nämlich sehr häufig am Veto ihres Partners scheitert.

Allerdings sind die Bedingungen, unter denen sich Männer das Kinderhaben vorstellen, durchaus heikel: Knapp die Hälfte ist klar für die klassische Aufgabenverteilung - sie selbst gehen arbeiten und sind der "Familienernährer", die Frau sorgt für die Kinder. Nicht einmal jeder vierte vertritt für Frauen und Männer ein egalitäres Rollenbild. Dass diese Einstellung höchst problematisch ist in Zeiten, in denen Frauen unbedingt erwerbstätig sein müssen, weil das innerfamiliäre Unterhaltsrecht gerade abgeschafft wird, und in denen der Arbeitsmarkt nicht mehr unbedingt so ist, dass ein Mann allein den finanziellen Unterhalt der Familie auf Dauer garantieren kann, ist das eine und bekannt. Und dass an dieser rückwärtsgewandten Einstellung durchaus auch die Frauen mit Schuld sind, weil es immer noch viele Frauen gibt, die von den Männern diese finanzielle Versorgerrolle erwarten, stimmt auch, geschenkt.

Was mich an der Studie nachdenklich gemacht hat, ist vielmehr ein anderer Aspekt: wie sich die befragten Männer die heute so viel diskutierte "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" vorstellen. Positiv herausgehoben wurde nämlich, dass die meisten Befragten sich (anders als die Väter aus früheren Generationen) durchaus auch in der Betreuung ihrer Kinder engagieren wollen - aber nur wenn das nicht zulasten des Berufs geht. Die mehrheit der Befragten will nicht einmal in der Zeit direkt nach der Geburt beruflich etwas zurückstecken - Elterngeld hin oder her. Viele Kommentatoren zogen daraus den Schluss, das Hauptproblem liege darin , dass die meisten Firmen und Unternehmen den Vätern diesen Spielraum für mehr Famlienzeit nicht geben.

Auch wenn das sicher so ist, bin ich bin trotzdem der Meinung, dass das Hauptproblem ein anderes ist. Weil in diesem Wunsch der Männer nämlich eine große Illusion deutlich wird, die sie haben, und die wir als Gesellschaft insgesamt zunehmend zu haben drohen: Die Illusion, man könne Kinder haben, erziehen, betreuen, versorgen, ohne dass das irgendwelche Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit hat. Das ist aber Unsinn. Eine totale "Vereinbarkeit" von Familie und Beruf gibt es nicht, jedenfalls solange nicht, wie das Berufsleben eine auch nur entfernte Ähnlichkeit mit dem von heute hat. Sicher: Die Situation kann noch wesentlich verbessert werden mit den bekannten Maßnahmen. Aber auch wenn wir für jedes Kind einen Krippen- und Kindergartenplatz haben, wenn wir Ganztagsschulen haben und flexible Arbeitszeiten, Kitas in den Firmen und verständnisvolle Chefs, die uns Familienurlaub geben, wann immer wir wollen - das alles wird nichts daran ändern, dass Muttersein (und, sofern die "neuen Väter" es ernst meinen, auch Vatersein) viel Zeit und Kraft kostet. Und das bedeutet nun einmal, dass diese Zeit und Kraft der Karriere nicht zur Verfügung steht.

Ich gebe zu, dass die Frauenbewegung mit dem Slogan "Beruf und Familie sind vereinbar" etwas zur Entstehung dieser Vereinbarkeits-Illusion beigetragen hat. Da früher die Arbeitgeber den Frauen pauschal unterstellt haben, sie würden ja ohnehin irgendwann Kinder haben und damit nicht mehr so komplett leistungsbereit sein, mussten wir sozusagen das Gegenteil behaupten: Auch die Frau, die Mutter ist, ist eine komplett leistungstüchtige Arbeitnehmerin. Aber wenn wir früher für die "Vereinbarkeit" von Beruf und Familie argumentierten, dann bedeutete das, etwas gegen die damals verbreitete Ansicht zu unternehmen, dass beides komplet unvereinbar sei: Jede berufstätige Frau eine Rabenmutter. "Vereinbarkeit" bedeutet, dass beides - mit Kompromissen auf beiden Seiten - durchaus unter einen Hut zu bringen ist. Dass, wenn man hier wie da ein paar Abstriche macht, sich weibliche Erwerbstätigkeit und Mutterschaft sogar unter Umständen gegenseitig bereichern und befruchten können, dass der Gegensatz nicht so pauschal und absolut ist, wie das Patriarchat früher behauptet hat.

Vereinbarkeit bedeutet aber nicht, dass ich beides haben kann ohne dass es auch nur den allerleisesten Konflikt geben wird. Frauen wissen das natürlich. Deshalb gehen ja so viele von ihnen auf Teilzeit, wenn sie Mütter werden. Deshalb bekommen sie nur ein oder zwei Kinder statt drei oder vier, um im Beruf nicht ganz den Anschluss zu verlieren. Dies bedeutet "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" - auf beiden Seiten Abstriche machen, um die beiden Bereiche mit einander zu kombinieren und zu verbinden.

Es ist aber völliger Wahnsinn, wenn sich immer mehr die Meinung durchsetzt, diese Abstriche wären keinesfalls nötig, sondern es ließe sich die 100-prozentige Berufstätigkeit umsetzen, auch wenn man Mutter (oder Vater) von Kindern ist - und wenn für diese 100-prozentige Berufstätigkeit auch noch der verheiratete Mann zum Maßstab genommen wird, dessen Frau sich nicht nur um die Kinder kümmert, sondern ihm selbst das Wäschewaschen, Putzen und Essenkochen weitgehend abnimmt.

Die aktuelle Studie hat gezeigt, wie weit verbreitet diese Vereinbarkeitsillusion unter jungen Männern schon ist, und deshalb ist Zeit, ihnen zu sagen: Wenn ihr aktive Väter werden wollt, dann heißt das auf jeden Fall, dass Ihr Abstriche beim Beruf machen müsst. Man kann nicht gleichzeitig aktiver Vater und 60-Stunden-Karrieremacher sein. Der Tag hat nämlich nur 24 Stunden und unsere Kräfte sind irgendwann erschöpft, und eure auch.

Die Botschaft der Stunde wäre also die: Beruf und Familie sind nicht vereinbar. Jedenfalls nicht ohne Kompromisse. Beruf und Familie sind natürlich auch nicht ganz und gar unvereinbar. Aber es handelt sich beim Kombinieren von Erwerbsarbeit und Haus- und Fürsorgearbeit eben weder um ein plattes "entweder-oder", wie man früher meinte, noch um ein ebenso plattes "sowohl als auch", wie man heute meint. Sondern die Herausforderung (und das war der Grund, warum die Frauenbewegung vor dreißig Jahren eine "Vereinbarkeitsdebatte" vom Zaun gebrochen hat) besteht darin, beides auf ganz neue Weise zu kombinieren, ohne das eine von vornherein dem anderen unterzuordnen. Solange so viele Männer und leider auch die Mehrzahl der "Familien"-Politikerinnen und -Politiker dies nicht in Angriff nehmen, sondern so tun, als könnte man alles um den 100-Prozent-Vollzeitarbeitnehmer (in männlicher und weiblicher Version) organisieren, wird es dabei bleiben, dass das Problem der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie diejenigen ausbaden müssen, die Kinder haben und versorgen.

Das sind heute noch in übergroßer Mehrheit Frauen. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass wir als Gesellschaft die "Kinder haben schränkt doch die Erwerbsfähigkeit kein bisschen ein"-Lüge auf dem Rücken derer austragen, die sich den Tatsachen stellen und auf Karrierechancen und Einkommen verzichten, um Zeit und Energie fürs Kinderversorgen zu haben. Ob davon nun 5 Prozent Männer sind (wie jetzt) oder 50 (wie in einer möglichen gleichstellungsparadiesischen Zukunft), ist aus meiner Sicht so ziemlich egal.


Zum Weiterlesen: Bertelsmann Stiftung (Hrsg): Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft. Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2008, 20 Euro.


Thematisch verwandte Artikel:
Abschied vom Traummann (für eine Vaterschaft light) und

Über das Müssen

Freitag, 17. Oktober 2008

Wenn Männer die Rechnung teilen....

In der aktuellen Ausgabe von "Brandeins" (Oktober 2008) las ich gerade eine Rezension von Peter Felixberger über ein Buch, das "Die Logik des Lebens" betitelt ist. Der Autor, Tim Harford, will darin die These untermauern, dass Wirtschaft keineswegs immer ein Ergebnis rationalen Handelns ist (für eine Feministin ja nicht sonderlich überraschend).
Erläutert wird dies an einem "Alltagsbeispiel", das der Rezensent folgendermaßen wiedergibt: "Man geht mit zehn Leuten in ein Restaurant. Im ersten Überschwang einigt man sich unbürokratisch, die gesamte Zeche zu gleichen Teilen auf alle zu verteilen. Klingt zunächst ökonomisch sinnvoll und gerecht, doch das Ende vom Lied sieht anders aus: Alle zahlen mehr, weil jeder mehr bestellt, in der Sorg, zu kurz zu kommen. Das ist wirtschaftliche Logik mit unangenehmen Folgen."
Hä????
Das sind ja merkwürdige Leute, die der da im Sinn hat. Wenn ich mit zehn Freundinnen essen gehe und wir so eine Regel verabreden (was wir oft tun), dann bestellen wir normalerweise alle möglichst wenig, weil jede vermeiden will, den Etat der anderen mit ihrer Bestellung unnötig in die Höhe zu treiben.
Eigentlich ist natürlich sowohl das eine wie das andere irgendwie idiotisch (obwohl ich, wenn ich wählen müsste, dann doch das Verhalten von Timm Harfords Leuten noch ein bisschen idiotischer finde).
Worauf es mir ankommt ist, dass wir es offenbar hier mit ziemlich unterschiedlichen Vorstellungen davon zu tun haben, was "normales" Verhalten ist. Und ich mag mir gar nicht vorstellen, was erst passiert, wenn fünf Frauen und fünf Männer zusammen essen gehen. Insofern hat mir dieses Beispiel die Augen geöffnet: IN SO EINER SITUATION NIE DIE RECHNUNG TEILEN!!!!

Dienstag, 7. Oktober 2008

Die Rückkehr der Vielehe

Kürzlich war ich dabei, als sich bei einer Diskussionsveranstaltung ein Streit darüber entspann, ob das neue Unterhaltsrecht gut oder schlecht für die Frauen ist. Einige Diskussionsteilnehmerinnen klagten darüber, dass viele Frauen, die jahrelang als Hausfrauen für Kinder und Ehemann gearbeitet hatten, nun um ihre finanzielle Absicherung fürchten müssten. Woraufhin andere die neue Regelung verteidigten, darunter auch eine Bundestagsabgeordnete, die schilderte, wie Politikerinnen aus allen Parteien gemeinsam dieses Thema diskutiert und schließlich die Neuregelung befürwortet hätten. Sie sagte in etwa: "Es ist jetzt zwar für die Erstfrauen schlechter geworden, aber wir hatten eben auch die Interessen der Zweit- und Drittfrauen im Auge."
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In diesem Moment wurde mir klar, womit ich als Idee schon eine ganze Zeit schwanger gehe, was ich aber bis dahin nicht so formuliert hätte: Wir erleben derzeit eine Rückkehr der Vielehe. Das soziologische Gerede von der "seriellen Monogamie" stimmt überhaupt nicht. "Seriell" ist die Monogamie, also die exklusive Lebensgemeinschaft eines Paares, nämlich höchstens im Hinblick auf den Sex - darüber besteht jedenfalls noch Einigkeit: Wer mit der einen pennt, darf nicht (mehr) mit der anderen. Aber im Hinblick auf die Gesamtheit der Beziehung stimmt es ganz oft nicht, nämlich immer dann, wenn Kinder da sind. Da ist es doch heutzutage ausdrücklich gewünscht, dass die Beziehung der Kinder zu beiden Elternteilen auch nach der Scheidung aufrechterhalten werden. Es ist aber völlig unsinnig anzunehmen, ein Vater könnte eine intensive und verantwortungsvolle Beziehung zu seinen Kindern pflegen, ohne gleichzeitig auch eine (wie auch immer geartete) Beziehung zu deren Mutter zu haben.

Wie soll man dieses komplizierte Beziehungsgefüge organisieren? An dieser Frage scheitern heute viele Liebesbeziehungen zwischen Frauen und Männern. Eine Freundin von mir hat sich zum Beispiel gerade von ihrem Freund getrennt, mit dem sie seit drei Jahren ein Paar war. Das ungeklärte Verhältnis zu seiner Ex und den noch kleinen Kindern war ein dauernder Streitpunkt gewesen. Meine Freundin hatte den Eindruck, immer nur um die Bedürfnisse der "Erstfamilie" herumorganisiert zu werden - angefangen vom Urlaubstermin über die Frage, in welcher Stadt man wohnt, bis hin zur Planung der Weihnachtsfeiertage. Endgültig gereicht hat es ihr dann, als ihr Freund den Vorschlag machte, sie könnten doch eine Wohnung im selben Haus beziehen, in dem auch seine Exfrau und die Kinder lebten. Das wäre doch organisatorisch am einfachsten, fand er. In dem Moment beschloss sie, dass das Leben einer Zweitfrau wohl doch nichts für sie ist.

Vielleicht wird es Zeit, sich einzugestehen, dass die so genannte "serielle Monogamie" überhaupt keine Monogamie ist. Monogamie ist nämlich, so sagt die Lexikon-Definition, "die lebenslange (sic!) exklusive Fortpflanzungsgemeinschaft zwischen zwei Individuen". In diesem Sinne ist unsere Kultur ganz offensichtlich schon lange nicht mehr monogam. Hierzulande wird "monogam" verstanden als "in einem bestimmten Lebensabschnitt nur mit einer Person Sex haben." Die Frage, wer mit wem ins Bett geht, ist aber in diesem Zusammenhang ziemlich unerheblich. Solange keine Kinder da sind, entstehen diesbezüglich im Allgemeinen keine größeren Probleme, jedenfalls keine, die erwachsene Menschen nicht im Normalfall untereinander regeln könnten.

Das Hauptproblem besteht ganz eindeutig im Hinblick auf die Kinder und die Frage, wie stabile Elternbeziehungen auf der einen und wechselnde Sexualbeziehungen auf der anderen Seite unter einen Hut gebracht werden können. Oder konkret: Wer sich mit wem wie intensiv verbunden fühlt, wo der emotionale Lebensmittelpunkt liegt, wo die Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten.

"Fortpflanzungsgemeinschaften" lassen sich eben nicht "seriell" organisieren. Jedenfalls dann nicht, wenn eine Gesellschaft den Anspruch auf lebenslange verantwortliche Elternschaft sowohl von Vater als auch von Mutter legt. Es gäbe natürlich andere Möglichkeiten. Matriarchale Gesellschaften zum Beispiel sind häufig so organisiert, dass sie Vaterschaft und Sexualität trennen: Die Rolle des sozialen Vaters, also der verlässlichen, lebenslang verpflichteten männlichen Bezugsperson eines Kindes, übernimmt der Bruder der Frau, während die Sexualpartner der Mütter wechseln können. Männer sind also nicht die Väter der Kinder, die ihre (wechselnden) Sexualpartnerinnen zur Welt bringen, sondern sie sind die Väter ihrer Nichten und Neffen, der Kinder ihrer Schwestern, mit denen sie ja auch ohnehin eine lebenslange familiäre Beziehung verbindet.

In diese Richtung einer kulturellen Trennung zwischen biologischer und sozialer Vaterschaft geht die Entwicklung hierzulande aber gerade nicht. Die "biologische" Vaterschaft wird - wie die jüngste Aufwertung genetischer Vaterschaftstests in juristischen Verfahren zeigt - im Vergleich zur sozialen Vaterschaft sogar immer wichtiger. Vor allem die Männer scheinen hieran ein großes Interesse zu haben. Doch wenn man dies will, muss man sich auch den Konsequenzen solcher Verhältnisse stellen: Wenn Väter und Mütter das Recht auf wechselnde, serielle Liebesbeziehungen inklusive daraus möglicherweise resultierender weiterer Kinder haben, dann ist das faktische Polygamie.

Dass dies nicht offen thematisiert wird, sondern unter dem verschleiernden Begriff der "seriellen Monogamie" diskutiert wird (der im Hinblick auf die Fortpflanzung nun einmal ähnlich widersinnig ist wie der sprichwörtliche schwarze Schimmel) liegt natürlich daran, dass wir komplexe Familienstrukturen, die über die intime Zweierbeziehung als "Keimzelle" hinausweisen, hierzulande offiziell ablehnen. Schon in der Schule haben wir schließlich gelernt, dass der Übergang von der bösen Polygamie der wilden Naturvölker zur guten Monogamie der zivilisierten Gesellschaften ein Fortschritt in der Menschheitsgeschichte war.

Derzeit ist das Thema zudem besonders heikel, weil diese alte, patriarchale Vielehe doch eher bei den vermeintlich so rückständigen Muslimen vermutet wird, als mitten unter "uns" aufgeklärten Leuten. Dabei ist es natürlich völlig abwegig zu glauben, dass die alten Araber ihre vielen Frauen alle gleichzeitig geehelicht hätten. Natürlich taten auch sie das in der Regel "seriell", also hübsch nacheinander. Und auch damals wird es im wesentlichen so gewesen sein, dass die "Erstfrau" vor allem, was das Nachtlager betraf, gegen ihre jüngeren, sexuell attraktiveren Nachfolgerinnen ausgetauscht wurde, aber als Mutter der bereits geborenen Kinder eben weiterhin zum Familienkreis gehörte. Dass der Prophet Mohammed irgendwann die Parole ausgab, bei vier Frauen müsse Schluss sein, hatte auch keineswegs sexualmoralische, sondern ökonomische Gründe: Es ging, damals wie heute, um die Frage der wirtschaftlichen Absicherung von Frauen und Kindern durch das Unterhaltsrecht.

Eines allerdings ist heute anders geworden, und das ist die Gleichberechtigung der Geschlechter. Es sind nicht mehr, wie in patriarchalen Zeiten, nur die Männer, denen es erlaubt ist, im Laufe der Zeit mehrere Frauen zu haben, sondern auch die Frauen dürfen heute mehrere Männer haben. Das macht das Problem aber nicht unbedingt einfacher. Auch so manchem "Zweitmann" dürfte das familiäre Kuddelmuddel seiner bereits mit einem anderen Mann Mutter gewordenen Lebenspartnerin Probleme bereiten. Immerhin können die Männer, anders als die Frauen, hier auf den Faktor Zeit spekulieren: Bei den Frauen ist nämlich irgendwann mit dem Mutterwerden Schluss, während die Männer bis ins hohe Alter weitere Kinder zeugen können. Deshalb ist das neue Unterhaltsrecht auch unter Geschlechteraspekten höchst ungerecht: Ein "Erstmann", der wegen der Kinder auf Karrierechancen verzichtet hat, kann sich relativ sicher sein, dass die gut verdienende Mutter seiner Kinder irgendwann keine weiteren Kinder in die Welt setzt, denen (und deren Vätern) gegenüber sie möglicherweise unterhaltspflichtig ist. Den "Erstfrauen" geht es da deutlich schlechter. Sie müssen bis ans Lebensende um ihre Unterhaltsansprüche bangen, da die gut verdienenden Väter ihrer Kinder jederzeit die Möglichkeit haben, erneut mit anderen Frauen Kinder zu haben.

Was die ökonomische Seite des Problems betrifft, so ist eine Lösung aber in Sicht: die finanzielle Unabhängigkeit aller erwachsenen Individuen. Wenn erst einmal alle Frauen und Männer erwerbstätig und individuell ökonomisch abgesichert sind, dann verliert die Frage des Unterhaltsrechts an Bedeutung. Dass dieser Weg bislang nur halbherzig eingeschlagen wird - unter anderem deshalb, weil die ökonomische Bedeutung von Haus- und Familienarbeit noch immer nicht in aller Klarheit mit einkalkuliert wird - ist zwar wahr, aber kein symbolisches, sondern lediglich ein handwerkliches Problem der Politik. Denkbar ist so eine Lösung, und im Großen und Ganzen sind wir ja auch bereits auf dem Weg dorthin.

Dennoch glaube ich, dass das Problem der heutigen, uneingestanden polygamen Beziehungsstrukturen damit nicht gelöst ist. Meine Freundin zum Beispiel, die keine andere Lösung sah, als sich von dem Mann, den sie eigentlich liebt, zu trennen, hat kein wirtschaftliches Problem. Dass ihr Freund sein Einkommen mit seinen Kindern und deren Mutter teilt, findet sie völlig in Ordnung. Als ökonomisch selbstständiger Frau kann es ihr ja auch egal sein. Ihr Problem ist vielmehr, dass es ihr in dieser Beziehungskonstellation nicht möglich ist, weiterhin den Traum einer monogamen Liebesbeziehung zu träumen. Sie musste einsehen, dass sie mit diesem Mann, obwohl sie ihn liebt, keinen intimen Familienbereich gründen (und in diesem Binnenraum selbst Mutter werden) kann, ohne dass dieser "monogame" Bereich gewissermaßen "gestört" wird durch die gleichfalls berechtigen Ansprüche anderer Frauen und Kinder, die durch ebenso intime Beziehungen mit diesem Mann bereits verbunden sind.

Worauf ich mit diesem Artikel hinaus will ist, zu zeigen, dass Probleme dieser Art nicht nur individuelle Probleme sind, sondern die logische Folge der Art und Weise, wie wir über Familien und Liebesbeziehungen sprechen und nachdenken. Früher, in patriarchalen und monogamen Zeiten, hatte der Liebeskummer der Frauen seinen Grund in einem individuellen Fehlverhalten der betreffenden Männer. Zwar war sexuelle Polygamie, insbesondere unter Männern (aber wahrscheinlich auch unter Frauen) schon immer weit verbreitet. Doch wenn ein Ehemann mit der Sekretärin ins Bett ging oder die Ehefrau den Briefträger verführte, dann entstanden daraus keine moralisch von der Gesellschaft eingeforderten Folgen und Verpflichtungen. Monogamie hieß eben, dass die erste, eigentliche, gesetzlich abgesegnete Beziehung (die Ehe) als einzige zählte. Entsprechend war sich die "öffentliche Meinung", also die Nachbarinnen, die Schwiegermütter, die Zeitungsschreiber und so weiter, auch einig: Wer "fremdgeht" - egal ob als Verheirateter oder mit einem anderweitig Verheirateten - handelt schlecht, ist schuldig, hat keine Ansprüche zu stellen.

Das hat sich geändert. Wir möchten, dass die Ansprüche aller Beteiligten gehört und beachtet werden. Das heißt aber, dass heute der aus "Mehrfachbeziehungen" herrührende Liebeskummer der Frauen (und wohl auch vieler Männer) nicht mit individuellem Fehlverhalten zu tun hat. Sondern mit widersprüchlichen, einander ausschließenden Ansprüchen der Gesellschaft: Man kann eben ganz einfach nicht sowohl intime und exklusive Zweierbeziehungen führen, als auch für die Kinder aus vorangegangenen Beziehungen verantwortlich und verlässlich da sein. Der Traum der intimen, exklusiven Zweierbeziehung, der Monogamie also, lässt sich nur träumen, wenn man entweder auf Kinder ganz verzichtet (und auch nur Kinderlose als mögliche Liebespartner und -partnerinnen in Betracht zieht), oder wenn man tatsächlich zur ursprünglichen Monogamie-Definition der "lebenslangen exklusiven Fortpflanzungsgemeinschaft" zurückkehrt. Und es ist wohl kein Zufall, dass es für beides derzeit starke gesellschaftliche Tendenzen gibt.

Wenn wir das aber nicht wollen, wenn wir vielmehr eine Gesellschaft wollen, in der weiterhin Kinder geboren werden, die Erwachsenen aber dennoch frei sind, ihre Sexualpartner und -partnerinnen im Laufe der Zeit zu wechseln, dann werden wir uns wohl dem Thema "moderne Polygamie" zuwenden müssen. Wie können familiäre Beziehungsstrukturen funktionieren, in denen sich mehrere Frauen und Männer, die in komplizierten Strukturen wechselseitig durch (ehemalige und aktuelle) Sexualbeziehungen sowie durch ein komplexes Netz von sozialer oder biologischer Mutter- und Vaterschaft unweigerlich miteinander verbunden sind, wohlfühlen und menschenfreundlich miteinander umgehen?

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Fünf Punkte für die Zukunft der Bewegung

Bis vor kurzem galt es als hoffnungslos antiquiert, sich zur Gattung „Feministin“ zu zählen. Heute ist das Label plötzlich wieder en Vogue, sogar Ministerinnen und Mainstream-Autorinnen bekennen sich dazu. Und selbst jene besonders kapriziöse Spezies entdeckt das F-Wort wieder für sich, die wir schon fast abgeschrieben hatten: die jungen Frauen. Na wunderbar! Die Frage ist nur: In welche Richtung soll es gehen? Hier sind fünf Punkte, die meiner Ansicht nach jetzt auf die Agenda der Bewegung gehören:

1. Die Suche nach dem „richtigen“ Feminismus aufgeben. Die Frauenbewegung ist heute in viele Parallelwelten zersplittert: Universitäre Genderstudies, spirituelle Ritualkreise, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, Business-Networkerinnen, Queer-Aktivistinnen oder Matriarchatsforscherinnen – und jede Gruppe beschuldigt die andere, keine „richtige“ Feministin zu sein. Insofern ist der als „Zickenkrieg“ inszenierte Medienstreit zwischen „jungen“ und „alten“ Feministinnen zwar eine falsche Skandalisierung (weil die Trennungslinie nicht wirklich zwischen Altersgruppen verläuft), aber auch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Wenn Frauen das Engagement andersdenkender Frauen im Namen des „richtigen“ Feminismus ignorieren oder lächerlich machen, schwächen sie die weibliche Autorität insgesamt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist kein Appell für mehr Frauensolidarität. Ich finde, Feministinnen sollten sich durchaus öffentlich streiten. Aber eben über ihre unterschiedlichen Inhalte, über ihre divergierenden Urteile und Ansichten, und nicht darüber, wem das Label „Feministin“ gebührt und wem nicht.

2. Einen echten Dialog mit Männern führen. In den vergangenen Jahrzehnten ist es gelungen, Gesetze und bürokratische Regeln so zu gestalten, dass Männer in vielerlei Hinsicht ihr Verhalten gegenüber Frauen verändern mussten. Solange sie aber nicht wirklich verstehen, warum es zum Beispiel wichtig ist, inklusive Sprache zu benutzen, einen gewissen Anteil von Frauen in Gremien zu haben oder Zeit für Hausarbeit aufzuwenden, bleibt es mühsam und es besteht immer die Gefahr eines „backlash“. Wie können wir mehr Männer davon überzeugen, dass die Anliegen der Frauenbewegung wichtig sind? Damit wir nicht dauernd mit der Peitsche hinter ihnen stehen müssen? Einfache Appelle im Sinne von „die Männer müssen…“ helfen da nicht weiter, schon gar nicht, wenn sie wie so häufig in reinen Frauenkontexten geäußert werden. Mit dem ganzen Thema sollten wir phantasiereich und undogmatisch experimentieren – was im Übrigen auch bedeutet, die Männer als Gesprächspartner mit ihrer Kritik und ihren Vorbehalten gegen den Feminismus (oder das, was sie darunter verstehen) ernst zu nehmen.

3. Feminismus zum kulturübergreifendes Projekt machen. Noch immer ist der Feminismus in Deutschland, und zwar in allen seinen „Fraktionen“, überwiegend eine Angelegenheit weißer, mittelständischer Frauen. Das schwächt die Bewegung enorm und birgt sogar große Gefahren (zum Beispiel, weil der interkulturelle Dialog in Deutschland gegenwärtig zu einer Angelegenheit konservativer Männer zu werden droht). Um das zu ändern, ließe sich einiges von den „postcolonial Studies“ in den USA lernen. Vor allem aber braucht es konkrete Beziehungen zu Frauen aus anderen Kulturen, die auf einem echten Interesse aneinander basieren – und das auch dann, wenn diese nicht die Glaubenssätze des westlich-emanzipatorischen Feminismus teilen. Vielleicht gibt es ja auch noch andere Wege zu weiblicher Freiheit. Das ist im Übrigen kein Kulturrelativismus, sondern die einzige Chance, die wir haben, um Frauen aus anderen Kulturen eventuell vom Wert „westlicher“ Errungenschaften zu überzeugen.

4. Der neoliberalen Einverleibung feministischer Forderungen entgegentreten. Zurzeit ist die Wirtschaft sehr an der Verfügbarmachung qualifizierter, leistungsfähiger Frauen als „Human Resources“ interessiert. In diesem Kontext werden alte feministische Forderungen wie Kinderkrippen, Entlastung der Frauen von Haus- und Familienarbeit sowie die Selbstverständlichkeit weiblicher Erwerbsarbeit politisch konsensfähig. Das ist einerseits natürlich schön. Andererseits war der Feminismus aber immer mehr als ein Hilfsmittel zur Optimierung des Kapitalismus, nämlich eine soziale Bewegung, die über die Grenzen des Gegebenen hinausführt. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren – und auch jenen neubekehrten Feministinnen vermitteln, die mit der Geschichte der Frauenbewegung vielleicht nicht so vertraut sind.

5. Postpatriarchale Weltgestaltung statt Kampf für Fraueninteressen. Viele Konfliktlinien, die früher zwischen Frauen und Männern verliefen, verlaufen heute anderswo: Zwischen gut und schlecht Verdienenden, zwischen Erwerbsarbeitenden und Arbeitslosen, zwischen denen, die für Kinder oder Kranke sorgen und denen, die das nicht tun. Mit Statistiken über prozentuale Frauenanteile hier und da lässt sich das nicht mehr angemessen analysieren. Deshalb wird die Frauenbewegung in Zukunft noch weniger als bisher einfach nur für „Fraueninteressen“ eintreten können. Worum es vielmehr geht, ist postpatriarchale Weltgestaltung in einem umfassenden Sinn: um die Frage, wie denn in Zukunft diese Welt und das Zusammenleben aller Menschen auf eine gute Weise gestaltet werden soll.

Donnerstag, 25. September 2008

Simone Weil und der Anarchismus

Im kommenden Jahr steht der 100. Geburtstag der französischen Philosophin Simone Weil an – Anlass genug, sich genauer mit dem Werk dieser ungewöhnlichen Denkerin zu beschäftigen. Mich interessiert als Politikwissenschaftlerin dabei besonders die Aktivistin und Anarchistin Weil, die in den meisten Veröffentlichungen etwas zu kurz kommt, in denen Weil vor allem als Mystikerin gewürdigt wird. Viele sehen in ihrer Lebensenwicklung einen „Bruch“ zwischen einer frühen, revolutionären Phase und ihrer späteren Hinwendung zum Christentum. Doch in gewisser Weise ist ihre Entwicklung kein Bruch, sondern eher eine Kontinuität. Ein guter Lektüretipp zu diesem Thema ist ein kürzlich erst ins Deutsche übersetzter Sammelband mit Aufsätzen und teilweise bis dahin unveröffentlichte Textdokumenten, die den Fokus auf Weils politischen Aktivismus und insbesondere ihre Verbindung zum gewerkschaftlich-anarchistischen Syndikalismus lenken Ich habe das Buch für das Internetforum http://www.bzw-weiterdenken.de/ rezensiert.

Den Text unter der Überschrift „Wenn Handeln unmöglich wird“ findet Ihr hier: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-149.htm

Mittwoch, 13. August 2008

Über das Müssen

In einem Internetforum fand ich kürzlich den Beitrag eines Bloggers namens „Franklin“, der sich über einen Vortrag lustig machte, in dem ich das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern bei der unbezahlten Fürsorgearbeit behandelt hatte. Er schrieb: „Frauen ziehen also immer noch den Kürzeren. Sie müssen sich um Kinder, Alte und Haushalt kümmern (die Haustiere hat sie dabei noch vergessen). Wer sagt eigentlich, dass sie müssen? Wer zwingt sie dazu? Das Patriarchat, verkörpert durch den Herrn und Gebieter daheim?“ Seither denke ich über das Müssen nach. Oder, um es in einem klassischen philosophischen Ausdruck zu formulieren, über die Pflicht. Was bedeutet es, etwas zu müssen?

Einen Artikel dazu habe ich für das Internetforum „beziehungsweise weiterdenken“ geschrieben, Ihr findet ihn unter: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-3-145.htm

Dienstag, 17. Juni 2008

Was ist Arbeit? - nicht in falsche Dualismen geraten

Was mir auf die Nerven geht ist, dass in Bezug auf die Definition von Arbeit und Wirtschaft immer von falschen Dualismen die Rede ist: Entweder es geht unserer Wirtschaft gut oder den Menschen; Entweder wir produzieren genug oder wir schützen die Umwelt; Entweder wir profitieren oder die dritte Welt; Entweder ich ruiniere meine Gesundheit oder das Unternehmen geht pleite. Wie kann man einen Schritt zurückgehen und überlegen, wo die Debatte auf ein schiefes Gleis geraten ist und was notwendig wäre, um das alles wieder zusammenzudenken. Mögliche Wege und Ansatzpunkte dafür wären:

* Arbeit und Einkommen getrennt denken. Die Trennung ist schon Realität, wie wir am Beispiel von Bergsteigern, Prostituierten oder Aktionären sehen können. Ein politischer Vorschlag dazu ist die Einführung einer bedingungslosen Grundeinkommens (vgl. http://www.gutesleben.org/), das, anders als etwa die Forderung nach einem Mindestlohn, nicht mehr die symbolische Forderung aufstellt, dass „jeder von seiner Arbeit leben können“ muss.

* Wenn nicht mehr Geld den Wert der Arbeit bemisst, können wir wieder freier über Notwendigkeiten nachdenken: Welche Arbeiten müssen gemacht werden, auch wenn es sich nicht „rechnet“? Diese Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf Pflege, Hausarbeit, Kindererziehung usw.

* Den Wert von Handeln und Herstellen als Formen menschlichen Tätigseins schätzen und nicht alles der Kategorie „Arbeit“ zuordnen. Gutes Leben geht über die Notwendigkeiten hinaus. Im Bereich des Herstellens geht es auch um „Überflüssiges“ (gute – nicht nur ausreichende – Qualität, Verzierung und Verschönerung). Im Bereich des Handelns geht es darum, zu sehen, dass zweckfreies Tätigsein im Hinblick auf den Sinn des Ganzen gefragt ist, nicht nur Streben nach Effizienz oder Antworten auf Notwendigkeiten.

* Die globale, flexibilisierte und technisierte Welt hat neue Erfordernisse mit sich gebracht, die sich nicht im Rahmen traditioneller Wirtschaftstheorien verstehen lassen. Alte Konfliktlinien (Arbeiter – Unternehmer, Frauen – Männer, erste Welt – dritte Welt) stimmen teilweise nicht mehr und helfen uns nicht, die Realität zu verstehen.

Dies ist das Resumée eines Vortrags, den ich im April bei einer Tagung des Bayersischen Historikerinnen-Netzwerkes gehalten habe. Der vollständige Vortrag steht hier:
http://www.antjeschrupp.de/was_ist_arbeit.htm

Mittwoch, 11. Juni 2008

Zum 100. Geburtstag von Simone de Beauvoir

Ihr freies Leben hat eine ganze Generation von Frauen inspiriert, aus den Beschränkungen von Haus und Heim auszubrechen, ihre Studie "Das andere Geschlecht" hat die Frauenbewegung der siebziger Jahre maßgeblich beeinflusst: In diesem Jahr jährte sich der Geburtstag von Simone de Beauvoir zum 100. Mal. Ein guter Anlass, an die französische Philosophin und Schriftstellerin zu erinnern und sie zu würdigen. Was war das Neue an Beauvoirs Denken in ihrer Zeit? Wie wurde es von der Frauenbewegung aufgegriffen und was hat es bewirkt? Was ist von ihrem Anliegen immer noch aktuell?
Vortrag von Antje Schrupp am Donnerstag, 19. Juni, um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei Leonberg (bei Stuttgart), Liststraße.

Mittwoch, 4. Juni 2008

„Ich gratuliere Hillary Clinton“

Ein Kommentar zum Sieg von Barack Obama gegen Hillary Clinton

„Ich gratuliere Hillary Clinton, nicht nur weil sie eine Frau ist, die weiter gegangen ist als jemals eine Frau vorher, sondern auch weil sie eine starke Anführerin ist, die Millionen von Menschen inspiriert“ – dies sagte Barack Obama in seiner Siegesrede am 3. Juni, als endgültig klar geworden war, dass er der demokratische Präsidentschaftskandidat bei den USA-Wahlen im November ist. Das hört sich auf den ersten Blick gut an: Fairer Gewinner. Auf den zweiten Blick ist es ziemlich unverschämt. Was nicht Obamas Schuld ist. Es belegt nur, dass Frauen noch immer symbolische Fremdkörper in dem System der „offiziellen“ Politik sind. Anders herum wäre der Satz jedenfalls nicht möglich. Wenn eine Frau sagen würde: „Ich gratuliere Barack Obama, nicht nur weil er ein Schwarzer ist, der weiter gekommen ist als jeder andere Schwarze vor ihm...“ – das klänge rassistisch und herablassend.

Es zeigt sich hierin, dass der Ausschluss von Frauen aus der Politik und die rassistische Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung zwei völlig verschiedene Paar Schuh sind. Vorausgegangen war Obamas Sieg ja ein merkwürdiges Geplänkel. Immer mehr ist im Wahlkampf Clintons Frausein zum Thema geworden. Und es verfestigte sich zunehmend der Konsens, dass sie mit ihrem Festhalten an der Kandidatur irgendwie dem feministischen Projekt schadet. Adrienne Woltersdorf hat das zum Beispiel in der taz geschrieben (am 29. Mai): „Ein Vorbild für ambitionierte Frauen ist die Politikerin damit nicht mehr. Längst wirkt sie wie eine Karikatur einer einzig auf ihre Selbstverwirklichung fixierten Frau.“ http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/notfalls-eine-vernunftehe/?src=SE&cHash=df8cbb60d7

Möglicherweise stimmt es ja, dass Hillary Clinton eine schlechte Politikerin und unkluge Wahlkampfstrategin ist – das zu beurteilen traue ich mir als mit der amerikanischen Tagespolitik wenig vertraute Kommentatorin nicht zu. Aber von ihr zu verlangen, dass sie eine gute Figur im Namen der Frauen machen soll, ist zwar irgendwie verständlich, aber letzten Endes skandalös. Denn es heißt, dass von Frauen immer noch verlangt wird, irgend etwas zu tun, weil sie Frauen sind. Wenn das mit der weiblichen Freiheit ernst gemeint wäre, hätte man von Clinton alles mögliche verlangen können - dass sie mit Rücksicht auf die Einheit der Demokraten verzichtet, zum Beispiel - aber auf keinen Fall, dass sie etwas anderes tut, als das wovon sie überzeugt ist, nur weil sie eine Frau ist.

Es war meiner Ansicht nach ein Fehler, dass Feministinnen wie Gloria Steinem oder Adrienne Rich dazu aufgerufen haben, Clinton wegen ihres Frauseins zu wählen. Nicht nur weil das denjenigen Wählerinnen, die für Clinton waren, weil sie sie für die bessere Politikerin hielten, den Dauervorwurf einbrachte: Du bist ja nur aus Frauensolidarität für sie. So wurde nicht nur Clintons Autorität geschwächt, sondern auch die ihrer Anhängerinnen.

Der Vergleich der Diskriminierungen war von vornherein schief. Denn dabei musste natürlich herauskommen, dass die Ausbeutung und Verfolgung der Schwarzen schlimmer war als die politische Rechtlosigkeit der Frauen. Da konnte Clinton eigentlich alles nur falsch machen: Wenn sie darauf verwies, dass ihre eigene Großmutter vor hundert Jahren noch nicht wählen durfte (die schwarzen Männer damals aber schon seit vier Jahrzehnten), dann ließ das Gegenargument nicht lange auf sich warten: Schwarze sind damals in den USA nämlich noch gelyncht worden. Und das ist ja wohl deutlich schlimmer. Der Appell an weibliche Solidarität wäre strategisch vielleicht möglich gewesen, wenn Clintons Konkurrent ein weißer Mann gewesen wäre. In diesem Fall ist er nach hinten los gegangen. Es hat nämlich gezeigt, dass unter weißen Mittelstandsfrauen tatsächlich noch immer eine gewisse Blindheit für die Tragik der rassistischen Vergangenheit steckt, eine Verharmlosung der Tatsache zum Beispiel, dass erst vor vierzig Jahren die Apartheid in den USA abgeschafft worden ist. Statt in die Konkurrenz um die dramatischere Opfergeschichte einzusteigen, wäre es richtiger gewesen, zuzugeben, dass vom Rassismus – wie von jedem anderen sozialen Diskriminierungsmechanismus – immer auch Frauen profitieren: die aus den herrschenden Klassen nämlich.

Die Geschichte der Frauendiskriminierung kann nicht mit dem Rassismus parallel gesehen werden. Sie verläuft auf einer völlig anderen Schiene: Weiblichkeit und Politikmachen passen nicht zusammen. Politik ist männlich konnotiert, und zwar bis heute. Sie war hingegen niemals weiß konnotiert. Weiße Männer haben schwarze Männer von der politischen Macht ferngehalten, weil sie in ihnen Konkurrenten sahen. Das war ein reiner Machtkampf, der nichts Symbolisches hatte. Frauen wurden hingegen von der politischen Macht ausgeschlossen, weil diese Macht sich von Beginn an - noch in der französischen Revolution - als nicht-weiblich definiert hat. Die meisten Männer sahen in den Frauen, die das Wahlrecht forderten, keine Konkurrentinnen. Sie meinten einfach nur, die Politik wäre nicht mehr dasselbe (nämlich kein Ort mehr des männlichen Imaginären), wenn die Frauen hier dabei wären.

Das ist auch der Grund dafür, dass es kulturell sogar in einer so durch und durch rassistischen Gesellschaft wie den USA des 19. Jahrhunderts leichter war, das Wahlrecht für schwarze Männer durchzusetzen als das für weiße Frauen. Obwohl die weißen Männer sich kulturell und sozial den weißen Frauen viel näher und verbundener fühlten als der schwarzen Bevölkerung. Deshalb ist Obama trotz seiner Hautfarbe kein Fremdkörper auf der politischen Bühne und kann es sich leisten, gönnerhaft gegenüber Clinton zu sein. Oder anders: Als Präsidenten können die weißen Amerikaner (und Amerikanerinnen!) einen Schwarzen halbwegs akzeptieren. Aber das heißt nicht, dass sie ihn auch zu ihren Parties einladen oder ihre Tochter heiraten lassen würden. Auf der anderen Seite teilen sie mit Frauen ihr Leben und ihren Alltag - aber ein politisches Amt trauen sie ihnen letzten Endes doch nicht zu. Das würde natürlich heute niemand mehr zugeben. Aber ich behaupte, dass es tatsächlich so ist: Wir trauen einer Frau nicht zu, dass sie Politik macht. Weil Politik machen (jedenfalls diese Art des Politikmachens) sich als nicht-weiblich definiert hat.

Genau dies hat die verräterische Gratulation Obamas nämlich ungewollt bewiesen: Man findet es offenbar immer noch erstaunlich, dass eine Frau so etwas macht - nur dann kann man ja auf die Idee kommen, ihr deshalb eigens zu gratulieren. Ich im Übrigen auch. Ich dachte, eine Frau kann nur so Politikerin sein, wie ihrerzeit Margaret Thatcher: Als ungebrochene Fortsetzung männlicher Politik mit Rock und Handtasche. Angela Merkel hat mich inzwischen eines Besseren belehrt. Irgendwie schafft sie es, eine andere politische Kultur zu leben. Wie sie das macht, ist mir noch nicht so ganz klar - leider wird es auch nicht diskutiert, weil wir im Allgemeinen davon ausgehen, mit dem Bekenntnis zur Gleichheit der Geschlechter sei das Thema erledigt. Vielleicht ist das das Gute an Clintons Niederlage: Sie beweist, dass das Thema noch nicht erledigt ist.

Um noch einmal auf die Gratulationsrede von Obama zurückzukommen: Schön wäre es gewesen, wenn er so etwas gesagt hätte wie: "Ich gratuliere Hillary Clinton, weil sie eine großartige Politikerin ist, die Millionen von Menschen inspiriert. Und ich freue mich, dass unsere politische Kultur inzwischen so ist, dass Frauen wie sie sich daran beteiligen und ihre Fähigkeiten einbringen können." Aber bis dahin ist es offenbar noch immer ein weiter Weg: Zu einer Neudefinition des Politischen, die in der Beteiligung von Frauen eine Chance, einen Glücksfall sieht und nicht eine unbedeutende Nebensächlichkeit.

Um dahin zu kommen, ist es notwendig, aus der Opferkonkurrenz auszusteigen. Denn es war unausweichlich, dass bei dieser Konkurrenz Obama als Schwarzer die Nase vorne hatte: Sozial und menschlich gesehen war der Rassismus (von dem ja, was nicht vergessen werden sollte, auch schwarze Frauen betroffen waren) nun einmal tatsächlich schlimmer als die politische Rechtlosigkeit der Frauen (wobei, was man ebenfalls nicht vergessen sollte, ja auch viele weiße Frauen sozial ausgegrenzt waren, zum Beispiel wenn sie nicht zu den mittelständischen Bürgerfamilien gehörten). Politisch gesehen wäre aber eine Frau als Präsidentin ein Ereignis mit weitaus größerer symbolischer Bedeutung gewesen. Deshalb ist die Entscheidung der Amerikanerinnen und Amerikaner für Barack Obama und gegen Hillary Clinton die konventionellere.

(Mehr zum Thema: "Kein weiblicher Messias in Sicht" - http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-2-105.htm)

Die ganze Welt zuhause? - Cosmobile Putzfrauen

Zig-tausende Putzfrauen aus aller Welt arbeiten in deutcshen Haushalten. Sie leben in einer Schattenwelt und pendeln in rechtlichen Grauzonen zwischen ihrer Heimat und dem Land, das ihnen eine Arbeitsverhältnis und Einkommen bietet, hin und her. Die Soziologin Maria S. Rerrich hat zahlreiche Gespräche mit diesen "cosmobilen Putzfrauen" geführt und bietet einen Einblick in eine Lebenswelt, die den meisten Menschen verborgen bleibt. Wie funktionieren die sozialen Netzwerke dieser Frauen, wie wohnen sie, was tun sie, wenn sie krank werden? Rerrichs Buch ist Feldstudie und Appell zugleich. Die oft prekäre Situation dieser Frauen wirft Fragen nach Mustern sozialer Ungleichheit auf, die mit Expertinnen diskutiert werden.

UND ZWAR am
Montag, 16. Juni, in Frankfurt am Main, Stadtbücherei, Hasengasse 4.

Programm:
19.30 Uhr: Vortrag Maria S. Rerrich, Fachhochschule München
20.30 Uhr: Filmsequenz aus dem Film "Haus -Halt -Hilfe"
20.45 Uhr: Podiumsdiskussion mit Andrea Bode (FIM), Wangare Greiner (Maisha e.V.), u.a., von mir moderiert.

Donnerstag, 29. Mai 2008

Spalten und Ungeheuer

Starker Tobak für die Fangemeinde: In ihrem Roman "Die Kluft" erfindet Doris Lessing die Schöpfungsgeschichte neu. Und die Frauen kommen dabei gar nicht gut weg: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-120.htm

Donnerstag, 22. Mai 2008

Vaterschaft vielfältig gestalten

"Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr" – noch nie war dieses Sprichwort so wahr wie heute. Das alte Rollenmodell des patriarchalen Familienoberhauptes ist wohl endgültig passé. Doch was an seine Stelle treten soll, ist noch ziemlich unklar. Ist ein Vater einfach die männliche Version einer Mutter? In Zeiten, in denen die Gleichstellung von Frauen und Männern politische Zielvorgabe ist, erscheint das vielen als die plausibelste Lösung. Doch der Blick auf das wirkliche Leben zeigt, dass die Situation weitaus komplizierter ist.

Mit meinem Artikel "Abschied vom Traummann" beginnt eine Diskussionsreihe über Familienbilder in der Zeitschrift "Publik Forum". Weiterlesen hier: http://www.antjeschrupp.de/abschied_vom_traummann.htm

Montag, 19. Mai 2008

Zukunft der Frauenbewegung: Neuauflage

Da die neuen deutschen Alphamädchen derzeit so viel mediale Furore machen, freue ich mich sehr, dass mein Büchlein „Zukunft der Frauenbewegung“ jetzt in der zweiten Auflage ist! Als es im Jahr 2004 herauskam – also in grauen postfeministischen, bzw. wie sich jetzt herausstellt prä-neo-feministischen Zeiten – fragten mich viele Leute ganz erstaunt: Ja, hat denn die Frauenbewegung überhaupt eine Zukunft? Heute dürfte das wohl kaum jemand mehr bezweifeln. Vielmehr stellt sich immer deutlicher die Frage: Was für eine? Ich bin eigentlich ganz guter Hoffnung, dass wir nun doch endlich über die F-Klasse-Forderung nach mehr Geld und Karriere für Mittelschichts-Frauen hinauskommen und wieder die Frage nach dem guten Leben für alle diskutieren. Wurde ja auch Zeit. Im Übrigen habe ich letzte Woche Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ gelesen. Ich fand das Buch gar nicht so skandalös, wie dauernd getan wird (sind wir denn schon wieder so spießig, dass uns ein paar blutige Tampons und Sperma-Spritzer aus der Fassung bringen?). Ins Auge gesprungen ist mir vor allem folgender Satz (auf Seite 128), wo die 18 Jahre alte Protagonistin sagt: „Es gibt eigentlich nichts, womit meine Mutter kein Problem hat.“ Das scheint mir ein guter Hinweis darauf zu sein, was die „jungen Frauen“ an den „älteren Frauen“ stört – dass wir nämlich zu viel über Probleme und Forderungen reden, die an andere (die Männer, den Staat) zu stellen wären, anstatt die Lösungen und Ideen stark zu machen, die der Feminismus schon lange formuliert und ausprobiert hat. Und zwar nicht nur, aber natürlich auch, im Hinblick auf guten Sex! Oder anders gesagt: Charlotte Roche weist uns auf das Fehlen weiblicher Autorität hin – und genau das ist, jedenfalls meiner Ansicht nach, der Dreh- und Angelpunkt, um den es in punkto „Zukunft der Frauenbewegung“ geht. Vielleicht kennt Ihr ja die ein oder andere „Jungfeministin“, der Ihr das Büchlein (es kostet auch nur 5 Euro) schenken könnt…
Mehr Infos zum Büchlein unter: http://www.antjeschrupp.de/frauenbewegung_einleitung.htm

Freitag, 9. Mai 2008

1968 und die Frauen



Die Revolte von 1968 feiert ihren 40. Geburtstag – und da stellt sich natürlich auch mal wieder die Frage, wie das damals mit den Frauen war. Gut verstanden haben sie sich ja nicht, die Revolutionäre und die Feministinnen (oder, wie Jutta Ebeling diese Woche auf einer Podiumsdiskussion sagte): Die 68 waren eine Männerinszenierung und sind es bis heute geblieben. Bekanntlich führte das testosteron-geprägte Revoluzzertum zu einem gewissen Unbehagen seitens der Mitkämpferinnen und die beharrliche Ignoranz gegen das erwachende feministische Bewusstsein zuerst zum berühmten Tomatenwurf und dann später zur Separationspolitik der Frauenbewegung (die – und deshalb ist das Thema nicht nur von historischem Interesse, jüngere Frauen heute noch abschreckt). Ich habe besagte Podiumsdiskussion besucht, bei der neben Jutta Ebeling auch Daniel Cohn-Bendit, Christina Thürmer Rohr, Sibylla Flügge und Joscha Schmierer dabei waren. Und sowenig die Männer und Frauen dieser Generation sich vor vierzig Jahren verstanden haben, so wenig kommen sie auch heute noch zusammen. Ich habe da so eine Idee, woran das liegen könnte... Zum Weiterlesen: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-15-118.htm

Sonntag, 27. April 2008

Die Sehnsucht junger Frauen

Eine Feministin der "Töchter"generation hat einen Bestseller geschrieben. Betretenes Schweigen bei den "Müttern"? Dorothee Markert hat "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche gelesen: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-117.htm

Freitag, 18. April 2008

Die beste Familie gibt es nicht!

Die jüngste Brigitte-Studie hat es gezeigt: Der Kinderwunsch von Frauen ist nach wie vor hoch. Die bekannten gesellschaftlichen Hürden bewirken jedoch, dass Frauen in der Realität viel weniger Kinder bekommen, als sie eigentlich wollen. Ein großes Hindernis dabei ist die sinkende Kinderlust der Männer. Mehr als ein Viertel der jungen Männer will ein Leben ohne Kinder. Das stellt uns vor große Herausforderungen. Wichtig ist, dass wir schleunigst unser Familienbild verändern. Keine Ideale mehr, sondern eine pragmatische Förderung einer ganzen Vielfalt von Möglichkeiten des familiären Zusammenlebens. Meine ich. Mehr dazu in meinem neuen Artikel: "Die beste Familie gibt es nicht!" -
http://www.antjeschrupp.de/die_beste_familie.htm

Mittwoch, 16. April 2008

Wie können wir dem Bösen begegnen?

In ihrem philosophischen Text "Verfluchen, beten, nicht fragen" denkt Annarosa Buttarelli über eine Praxis von Frauen nach, das Böse in seinen Tod zu begleiten, anstatt es mit der Kraft des Guten heilen zu wollen. Der Text stammt aus einem neuen Aufsatzband der Philosophinnengemeinschaft "Diotima" in Verona. Dorothee Markert hat ihn aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-3-106.htm

Mittwoch, 2. April 2008

Vätern einen Platz geben

Eines der wichtigsten Themen im Zusammenhang mit neuen Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind die Verhandlungen über die Rollen innerhalb der Familie. Es ist unübersehbar, dass überkommene patriarchale Väterkonzepte schon lange ihre Überzeugungskraft eingebüßt haben. Doch was tritt an ihre Stelle? Leider bleiben auch die neuen Väterkonzepte bislang vielfach unglaubwürdig und führen zu allerhand Problemen, vor allem dann, wenn sie mit einer Schwächung der mütterlichen Position einhergehen – zahlreiche Fallbeispiele dazu haben Anita Heiliger und Eva-K. Hack in ihrem Sammelband „Vater um jeden Preis?“ zusammengetragen. Im Widerspruch zu einer verbreiteten Haltung, die Vatersein und Muttersein einfach in einem egalitär-geschlechtsneutralen „Elternsein“ aufzulösen versucht, meint Andrea Günter, dass die Position des Vaters auch in nachpatriarchalen Zeiten nicht mit der Mutter identisch ist: „Die Frage der Vaterschaft ist eine andere Frage als die der Mutterschaft. Die Aufgabe, Vätern einen Platz zu geben, ist eine eigenständige Aufgabe und bleibt eine eigene Anstrengung.“ Zu den dafür notwendigen Debatten leistet sie mit ihrem Büchlein „Vätern einen Platz geben“ einen wesentlichen Beitrag. Eine Leseempfehlung: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-7-110.htm

Samstag, 29. März 2008

Brauchen wir einen neuen Feminismus?

Mitte Februar fand ein großer internationaler Kongress des Cornelia-Goethe-Instituts an der Uni Frankfurt zu dieser Frage statt. Referentinnen aus Deutschland, Italien, Norwegen, Polen, Österreich und der Schweiz lieferten höchst interessante Analysen. Was ist von der „dritten Welle“ zu halten? Wieso ist der Feminismus heute so konservativ geworden? Oder ist das Ganze nur ein Medienphänomen? Ich habe ein bisschen mitgeschrieben - meine subjektive Zusammenfassung der Vorträge steht hier: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-3-108.htm

Außerdem: Im Internet sind jetzt auf den Seiten der Friedrich-Ebert-Stiftung sämtliche Ausgaben der 1976 gegründeten feministischen Zeitschrift Courage digitalisiert und kostenlos zugänglich. Da sag ich nur: Applaus, Applaus! Hier ist der Link zum Courage-Archiv: http://library.fes.de/courage/courage-einl.html.

Dienstag, 25. März 2008

Rückschau zum Internationalen Frauentag

Im Jahr 1788 beklagte die Schriftstellerin Olympe de Gouges in einem politischen Essay eine gewisse Haltung, die sie unter den Wissenschaftlern, Handwerkern und Politikern ihrer Zeit beobachtete: Sie würden zunehmend eigennützige Ambitionen verfolgen ohne deren Auswirkungen auf die Gesellschaft allgemein zu berücksichtigen und vor lauter Profitstreben ihren eigenen Platz innerhalb der menschlichen Gemeinschaft nicht mehr verstehen. Kommt uns das irgendwie bekannt vor? De Gouges endete damals ihre Überlegungen mit den Worten: „Wenn ich in dieses Thema noch weiter verfolge, würde ich zu weit gehen und die Feindschaft der Neureichen auf mich ziehen, die, ohne über meine guten Ideen nachzudenken oder meine gute Absichten anzuerkennen mich ohne Mitleid verurteilen würden als eine Frau, die nur Paradoxes anzubieten hat und keine einfachen Lösungen für die Probleme.“ Das kann ich gut nachfühlen. Nach einer feministischen Standortbestimmung gefragt (was jeweils rund um den Internationalen Frauentag am 8. März Konjunktur hat), glaube ich, dass Feministinnen mit gutem Grund keine eindeutigen Lösungen, sondern nur Paradoxien anzbieten haben. Ein Thema, das ich bei meinen diesjährigen Vorträgen zum Frauentag etwas näher ausgearbeitet habe.

Der Vortrag steht jetzt zum Nachlesen im Internet: http://www.antjeschrupp.de/gutes_leben_in_zeiten_der_emanzipation.htm (lohnt sich auch für diejenigen, die bei einer der Veranstaltungen dabei waren, denn meist sind wir so schnell in die Debatte gekommen, jedenfalls habe ich das Manuskript kein einziges Mal bis ganz zum Ende vorgetragen J). Eine weitere Möglichkeit, über das Thema zu diskutieren, gibt es bei einer Veranstaltung am Mittwoch, 2. April, um 20 Uhr im Jubec-Café, Kronenplatz 20, in Karlsruhe. Ich würde mich freuen, wenn wir uns sehen.

Donnerstag, 20. März 2008

Persönliche Auseinandersetzungen mit „großen“ Frauen

Im Januar hatte ich euch auf einen Artikel "Sinn und Unsinn historischer Frauenforschung" hingewiesen, in dem ich die These aufstelle, dass es bei der Beschäftigung mit der Geschichte weniger darum geht, objektive Kriterien von “Größe“ oder „Wichtigkeit“ zu finden, sondern dass die Bedeutung historischer Frauen sich über unser eigenes Begehren erschließt, das sich in eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit diesen Denkerinnen wagt. Darüber ergab sich unter anderem ein kleiner Mailwechsel mit einem Wikipedia-Autor, und wir stellten fest, dass dort ein ähnliches Prinzip Anwendung findet: Ob eine Person dort einen Eintrag bekommt, hängt ja auch nur davon ab, ob sich jemand findet, dem oder der das wichtig genug ist, um sich die Arbeit zu machen. Er wollte dort einen Artikel über Virginie Barbet einstellen, eine französische Sozialistin, und dafür einen Text von meiner Homepage verwenden.
Gerne doch: http://de.wikipedia.org/wiki/Virginie_Barbet. Mein Text über Barbet (der allerdings weitgehend wortgleich ist, jedoch weiterführende Links bietet) steht unter http://www.antjeschrupp.de/barbet.htm


Außerdem ist im März im Schwabenverlag ein Buch erschienen, das ebenfalls diesem Prinzip folgt. Es versammelt zwölf Artikel, in denen sich die Autorinnen in eine lebendige Auseinandersetzung mit je einer Persönlichkeit aus der Geschichte begeben. In meinem Beitrag geht es um Hannah Arendt, die anderen handeln von Hildegard von Bingen, Clara von Assisi, Elisabeth von Thüringen, Marguerite Porete, Johanna von Orleans, Teresa von Avila, Maria Ward, Madeleine Delbrel, Astrid Lindgren, Sophie Scholl und Dorothee Sölle.

Martina Kreidler-Kos (Hg): Von wegen von gestern! Der Lebenskunst großer Frauen begegnen, Schwabenverlag, Ostfildern 2008, 13,90 Euro.


Übrigens: Bücher versandkostenfrei kaufen bei http://www.frauenbuchladen.net/
Der ursprüngliche Artikel „Brauchen wir große Frauen“ unter http://www.antjeschrupp.de/grosse_Frauen_artikel.htm.

Freitag, 15. Februar 2008

Kein weiblicher "Messias" in Sicht

Mit "Messias-Faktor" hat der Spiegel den gegenwärtigen Höhenflug Barack Obamas im Rennen um die demokratische Präsident/inn/en-Kandidatur treffend umschrieben. Der US-amerikanische Vorwahlkampf ist nämlich für eine feministische Analyse von großer Bedeutung: Die "weiße Frau" und der"schwarze Mann" kandidieren für dieselbe Partei, ihre Programme unterscheiden sich praktisch gar nicht voneinander. Aus der drohenden Niederlage Hillary Clintons können wir so einiges über die symbolische Politik der Frauen lernen:

http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-2-105.htm

Mittwoch, 6. Februar 2008

Priester und Feministinnen - Artikel von Luisa Muraro

Das Thema Religion und Spiritualität, das Verhältnis von Feministinnen zur Kirche und damit verwandte Fragen haben uns im Forum http://www.bzw-weiterdenken/ in den vergangenen Wochen und Monaten beschäftigt. Da war es ein schöner Zufall (oder war es gar kein Zufall?) dass sich die Dezember-Ausgabe der Zeitung "Via Dogana" des Mailänder Frauenbuchladens mit dem Thema "Priester und Feministinnen" beschäftigte. Wir haben daraus den gleichnamigen Artikel von Luisa Muraro ins Deutsche übersetzt, um die Diskussion fortzuführen: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-3-102.htm
Zur Erinnerung: Die Dokumentation unserer vorausgegangenen Diskussion auf der Redaktionsmailingliste findet Ihr hier: http://www.bzw-weiterdenken.de/artikel-8-88.htm

Freitag, 11. Januar 2008

Ausländer sind gesetzestreuer als Deutsche

Zu diesem Thema sagt Frank Robertz, Wiss. Leiter des Instituts für Gewaltpfävention und angewandte Kriminologie in Berlin: "Man sollte sich Folgendes vergegenwärtigen: 30 Prozent der Ausländerkriminalität entsteht durch Touristen oder Durchreisende, weitere 17,5 Prozent sind Verstöße gegen Ausländer- und Asylverfahrensgesetze, die Deutsche gar nicht begehen können. Die Bundeszentrale für politische Bildung weist sogar darauf hin, dass nach Abzug aller statistisch bedingten Unschärfen jene Ausländer, die ständig in Deutschland leben, gesetzestreuer sind als Deutsche in gleicher sozialer Position. Hinzu kommt, dass Gewalt auch ein Phänomen von jungen Männern mit niedrigem Bildungsstand aus benachteiligten Schichten ist. Genau diese Bevölkerungsgruppe findet sich in den ausländischen Bevölkerungsanteilen Deutschlands häufiger. Zudem besteht nachweislich eine höhere Strafanzeigenbereitschaft gegen ausländische Bürger. Es ist also logisch, dass in den Gewaltstatistiken auch viele Ausländer vorkommen, was aber nicht zwingend direkt mit dem jeweiligen Migrationshintergrud zu tun hat" (Interview in brandeins, Januar 2008).